Während andernorts das Drachenstechen aufgegeben wurde, konnte es sich in Furth im Wald halten – übrigens als einziger Ort in Deutschland!
Wie die Further das schafften?
Als 1878 der Pfarrer das Spektakel verbieten will, erhebt sich eine Sturm der Empörung: Die Fenster im Pfarrhof werden eingeworfen, der Drachenstich wird weiterhin aufgeführt. Die Further waren stur und rebellisch und ließen sich selbst von kirchlichen Verboten nicht abschrecken. Anderswo wurde im Zuge der Aufklärung das Spektaktel als unzeitgemäß abgeschafft, in Furth hielt man daran fest. Und vor allem gelang es den Further Bürgern – besonders nach der Loslösung von der Fronleichnamsprozession – das Festspiel inhaltlich so zu gestalten, dass es sich immer an die jeweilige Zeit und ihre Themen anpassen konnte.
Ritter Udo statt Heiliger Georg
Der Heilige Georg spielte keine Rolle mehr, stattdessen heißt der Ritter Udo und er ist der Einzige, der die Menschen vor dem Drachen retten kann – mit Ausnahme der Further Ritterin, die im Schloss residiert. Sie will sich dem Drachen opfern. Das kann Udo nicht zulassen – und – der Held gewinnt natürlich sowohl den Kampf, als auch das Herz der Dame! Das Geschehen drumherum symbolisiert stets den Kampf des Guten gegen das Böse. Es spiegelt dabei aber immer die jeweilige Lebensrealität an der Grenze wider.
Immer ins Zeitgeschehen eingebettet
Besonders deutlich wird das im 20. Jahrhundert. War zuvor der Drachenstich ein bayerisch-böhmisches Fest, wird im Zuge des aufkommenden Nationalismus eine Distanzierung deutlich: Der Drache ist eine Bedrohung, die von Osten kommt. Unter den Nazis wird zum „Kreuzzug der Deutschen gegen die Ungarn“ aufgerufen. Ab den 1950er-Jahren reflektiert ein völlig neuer Festspieltext die Erfahrungen von Diktatur, Krieg, Flucht und Vertreibung und der Drache steht für die, so nah an der Grenze empfundene Bedrohung durch den Kommunismus. Heute werden durch die Darstellung der Glaubenskriege des 15. Jahrhunderts die Glaubenskriege der Moderne kritisiert. Die Hussitenbewegung wird als erste Bestrebung hin zu einer tschechischen Identität anerkannt. Und am Ende ist gar ein Appell an das Miteinander der Weltreligionen enthalten.
Was der Drache für die Further Bürger bedeutet
Jedes Jahr im August sind 1.500 ehrenamtliche Darsteller an den Festspielen beteiligt. Mitten drin ist das Ritterpaar, das nicht nur die Hauptrollen spielt, sondern ein ganzes Jahr lang die Stadt bei offiziellen Anlässen repräsentiert. Hat man einmal diese Rolle übernommen, bleibt man zeitlebens im kollektiven Gedächtnis der Stadt. Für die Further Bürger ist der Drachenstich der Höhepunkt des Jahres und das absolute Merkmal ihrer Identifikation mit ihrer Heimat. Und so sagt man, dass es in Furth nur drei Jahreszeiten gibt: Vor-, Während- und Nach-dem-Drachenstich! Aber nicht nur das Festspiel und das Zeitgeschehen sind einem Wandel unterworfen, auch die eigentliche Hauptfigur, der Drache! Auch er war immer ein Kind seiner Zeit. 1705 wurde ein Holzgerüst mit schwarzer Leinwand verkleidet. Ab 1912 schlüpften zwei Männer in ein Kostüm, Mitte der 70er-Jahre wurde ein großer Drache gebaut, der eindrucksvoll aber recht unbeweglich bis 2009 seinen Dienst tat – er verbringt seinen Ruhestand im Landestormuseum am Stadtplatz und kann dort besichtigt werden. Seit 2010 ist mit „Tradinno“, von den Furthern auch liebevoll „Fanny“ genannt, der größte Schreitroboter der Welt im Einsatz – geschaffen von einem Team Mechatronikern der Zollner Elektronik AG. Und dies unter Leitung des damaligen Ingenieurs (und heutigen Bürgermeister der Stadt) Sandro Bauer. Dieser Drache ist nicht nur eine Schau, sondern ein „Must-have-seen“, wenn man Furth im Wald besucht.
Wenn er mit seinen Augen blinzelt und das dumpfe Grollen ertönt, wird man von einer sonderbaren Ur-Angst erfasst – er ist grauslich und gefährlich, wie schon in den uralten Mythen unserer Ahnen. Und man spürt: Furth lebt, solange der Drache stirbt! Er ist zu einer Marke geworden, die untrennbar mit dieser Stadt verbunden ist. Hier in der Drachenhöhle schläft der Further Drache und kann bestaunt werden. Wer ihn im Einsatz sehen will, braucht ein extra Ticket – es lohnt sich!
Autor: Manuela Lang, WanderKultur
Quelle: Heimatforscher Werner Perlinger
Sprecherin: Heidi Wolf, Pressesprecherin der Furth im Wald gGmbH
Fotos: Tourist-Info Furth im Wald
Entdecken Sie noch mehr in der kostenfreien App WanderKultur, jetzt laden in Ihrem Store!
